Donnerstag, 14. März 2013

Buchtipp: Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse

Ich fühle mich gerade sehr erwachsen. Nicht so sehr deshalb, weil ich verheiratet bin, eine Kind habe und Steuern zahle. Vielmehr, weil ich seit langem mal wieder einen Roman für Erwachsene gelesen habe. Das mag natürlich auch damit zusammenhängen, dass ich eine neue Stelle angetreten habe, in der die Jugendbücher in der Minderheit sind. Aber trotzdem. In den letzten 4 Jahren habe ich fast ausschliesslich Jugend- und Kinderbücher gelesen. Es war eine nette Abwechslung. So nett sogar, dass ich sie weiterempfehlen möchte!
Vor Kurzem ist mir per Zufall ein Neuzugang in die Hände gefallen, (schön oder, wenn eine Bibliothekarin mal zufällig über ein Buch stolpert. Der geneigte Blogleser wird sich fragen "Was macht die eigentlich den ganzen Tag da in der Bib, hmmm?") der mich so sehr gefesselt hat, dass ich ihn unter starker Vernachlässigung des eigenen Kindes innerhalb von drei Tagen gelesen hatte. (Keine Sorge, der Vater hat die umfassende Versorgung des Kindes gerne übernommen. Es geht beiden den Umständen entsprechend sehr gut.)
Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse von Thomas Meyer. Schon allein der Titel brachte mich zum Schmunzeln. Und nach dem Lesen der ersten Seite hatte mich der Herr Meyer im jüdischen Zürich gefangen. Besonders gefiel mir die Sprache, eine gekonnte Mischung aus Deutsch und Jiddisch, auch für all diejenigen zu verstehen, die bisher noch nie in Kontakt mit dieser Sprache gekommen sind. Für ganz Unsichere hat es am Schluss einen Glossar zum Nachschauen. Wobei es den meiner Meinung nach nicht gebraucht hätte. Da ich während des Studiums Jiddisch gelernt hatte, hab ich mich sehr wohl gefühlt und soviel Vergessenes kam wieder hervor, Erinnerungen wurden wach.
Die Themen: Glaube &Tradition, Erwachsenwerden & Ablösung sind per se nicht sonderlich originell. Die Story vom Studenten Mordechai, genannt Motti, der sich dem Verheiratungswahn seiner Mutter nicht brav und kampflos hingibt und darüber seinen Glauben und sein Weltbild in Frage stellt ist ebenfalls nichts Neues, aber die Umsetzung ist ihm wie ich finde sehr sympathisch geglückt. Die Figuren kommen direkt aus dem wahren Leben, Motti erinnert einen manchmal dennoch ein wenig an einen modernen Rain-Man, wie er so unschuldig und naiv durchs Alltagszürich stolpert. Ich hatte ihn schnell ins Herz geschlossen. Gegen Ende wird die Story ein kleines bisschen langatmig, der Schluss war mir dann aber wiederum zu plötzlich. Jetzt vermisse ich Motti und möchte doch gern wissen, wie er die Situation bewältigt, in die er sich da hineinmanövriert hat. Ob der Herr Meyer selbst die Antwort kennt?
Eine herzliche, herrliche Empfehlung für denjenigen, der eine schöne, herzerwärmende, kurzweilige Lektüre sucht. Achtung: Manchmal muss man auch laut lachen, also vorsicht beim Lesen in der (schweizer) Bahn. 

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